15.02.2018
Wort zum Sonntag 01/2018

Das Gleichnis von der Spinne

Es war einmal eine Spinne, die hatte großen Hunger. Sie fand keine Nahrung und besann sich der Kunst, die nur sie beherrschte. Sie ließ einen Faden aus ihrem Körper fließen, band ihn oben fest, ließ sich daran herunterfallen und baute ihr Netz. Eine Pracht war es, ihr Kunstwerk. Wie ein Kristall funkelte es in der Morgensonne, mit all den Tautropfen und natürlich ernährte es die Erbauerin zur Zufriedenheit. Nur eines störte die Spinne, wenn sie ihr Kunstwerk betrachtete: der Faden von oben nach unten. War der noch nötig? Als sie ihn kurzerhand abbiss, fiel alles zusammen und das nur, weil sie die Bedeutung des Fadens nach oben vergessen hatte.

Am 4. Februar ist der Geburtstag von Dietrich Bonhoeffer, dem Widerstandskämpfer und großen Theologen, der uns das wunderbare Lied: Von guten Mächten treu und still umgeben – geschenkt hat. Wie viele Menschen haben gerade durch dieses Lied Trost und Geborgenheit gefunden. Und genau dieser Theologe Bonhoeffer war ein furchtbarer Streber in seiner Jugend, der unbedingt glänzen wollte. Mit 24 Jahren war er schon Professor. Seine Ansichten waren damals nationaldeutsch. Wie kam es zu seiner so grundlegenden Wandlung? „Es war die Bergpredigt, die mich wirklich verändert hat“, sagte er von sich. Wirklich glaubwürdig wurde er erst, als er seinen Faden nach oben neu entdeckte. Er selbst, so verstehe ich den Text des Liedes, fühlte Gottes Sicherheitsnetz. Er selbst lebte in großer Dankbarkeit und sein „Von guten Mächten“ ist sein Glaubensbekenntnis.


Christine Aechtner-Lörzer
Diplomgemeindepädagogin Merseburg