06.07.2018
Wort zum Sonntag 10/2018

„Beten Sie für mich“

„Und, Herr Pfarrer, denken Sie dran,“ sagt die alte Frau, als ich die Wohnung verlassen will. „Ja, ich kann das alles gut für mich behalten“, antworte ich. „Das weiß ich, aber denken Sie daran, für mich zu beten.“ Ich lächle freundlich und verspreche ihr genau das. Später habe ich tatsächlich für die Frau gebetet, die mir einiges aus ihrem Leben erzählt hatte, von ihren Ängsten und ihren Freuden, von Last und Lust.
Es ist gut, wenn Menschen füreinander, und noch besser, wenn sie miteinander beten. Das Gebet ist eine Gabe, die leichter verloren geht als wir sie uns aneignen. Aber das Gebet ist in der langen Geschichte der Menschen trotzdem nicht ausgestorben. Viele Menschen haben bemerkt: Nicht wir tragen das Gebet, es trägt uns. Ob es dazu Hilfsmittel braucht, ist umstritten, ob unser Gebet passend erscheint oder nicht, ebenso. Aber allein die Bereitschaft, dass ich mit meinem Schöpfer ins Gespräch kommen will, ist ein großer Gewinn für meine Seele. Wenn Sie es verlernt haben, dann probieren Sie es doch einfach einmal mit den Worten, die Jesus uns vor langer Zeit dafür vorgeschlagen hat: „Vater unser im Himmel…“ Kennen Sie noch die richtige Reihenfolge? Allein diese vier Worte zu murmeln, kann Ihnen ein Gefühl vermitteln, das Sie vielleicht ein ganzes Leben vermisst haben. Und wenn niemand in Ihrer Nähe ist, den Sie darum bitten können, dann könnten Sie ja vielleicht wieder lernen, für sich selbst zu beten.

Benjamin Neubert, Pfarrer in Braunsbedra