24.04.2021
Wort zum Sonntag 15KW/2021

Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. 2. Kor. 5,17

Sie lehnte sich zurück und ließ ihre Augen über die Weite Lapplands schweifen. Hier hatten sie sich vor 30 Jahren kennengelernt. Zwei Wanderer, die in der Hütte Schutz vor dem Gewitter suchten. Völlig durchnässt polterten sie hinein. Dankbar sahen sie, dass Holz im Korb vor dem Ofen war. Schnell wurde es warm. Der Kaffee war scheußlich bitter, aber belebend, es fanden sich nur noch eine Tüte Kartoffelbrei und etwas Knäckebrot im Vorratsschrank. Doch sie wurden satt und hatten noch eine halbe Tasse Beeren zum Nachtisch: Leuchtend orangefarbene Moltebeeren, in jeder einzelnen die Verheißung des ganzen Sommers.

Seitdem gingen sie gemeinsam durchs Leben. Höhen, Tiefen, lange ermüdende Ebenen. Bis zu dem Unfall vor einem Jahr. Sie hatte sich an jenem Tag nicht einmal von ihm verabschieden können.

Am Anfang war da der Schmerz, die Wut, eine tiefe Bitterkeit. Doch dann erstarb jedes Gefühl. Alles war zäh und grau und taub wie das Wetter draußen. Nichts und niemand schien sie zu erreichen.

Schließlich kam Ostern. Mechanisch begann sie aufzuräumen. Da fand sie die Fährtickets und eine neue Wanderkarte. Er hatte sie sie zu ihrem dreißigsten Jahrestag überraschen wollen. Und nun saß sie hier. Zum ersten Mal seit langem trat neben den Schmerz eine tiefe Dankbarkeit für die erlebte gemeinsame Zeit: Für das Belebende, Erwärmende, auch manches Bittere, für den Alltag, manchmal zäh wie Tütenkartoffelbrei und für das Leuchtende, Besondere: Ihr Leben eben.

Pfarrerin Susanne Mahlke, Merseburg und Schkopau