01.07.2023
Wort zum Sonntag 27KW/2023

Wozu brauchen wir die Kirche (noch)?

Viele beantworten diese Frage mit einem Gang zum Amtsgericht. Für mich heißt in der Kirche sein, dem Geheimnis des Lebens auf der Spur bleiben. Obwohl wir heute so viel wissen (oder zu wissen meinen), bleibt unsere Erkenntnis doch bruchstückhaft. Das ist schwer auszuhalten. Zumal heute so viele Menschen mit einem Schild um den Hals unterwegs sind, auf dem steht: „Ich weiß Bescheid. Ich habe den Durchblick.“ Ich gestehe ehrlich: diese Wissenden machen mir Angst. Da halte ich es lieber mit den Fragenden. In der Kirche treffen wir uns. Wir stellen uns unseren Fragen. Mit „Demut“. Wir können weder die Welt noch die Kirche retten. Aber wir Suchenden können gemeinsam unsere Ratlosigkeit aushalten. Und – ja – ganz altmodisch gesprochen: wir halten sie Gott hin. Wir sind nicht die besseren Menschen, wir haben nicht die Lösungen. Kirche ist für mich die Gemeinschaft der Unfertigen. Die nicht alle Klima-Aktivisten ins Straflager schicken möchten, weil sie ahnen, dass ihre Verzweiflung über den Raubbau, den wir an Gottes Schöpfung betreiben, echt ist. Die nicht die Suche nach einer Gerechten Sprache verunglimpfen, weil sie spüren, wie wichtig es ist, dass in unserer Sprache Platz für alle ist. Die nicht alle Geflüchteten für Sozialschmarotzer halten, sondern für Menschen, die Hilfe suchen und brauchen beim Eingewöhnen in eine neue fremde Umgebung. Die nicht nach einem autoritären Staat schreien, weil sie aus Geschichte und Gegenwart wissen, welches Unrecht und Unheil das über Menschen bringt. Sondern die glauben, dass da eine Kraft, eine Energie in der Welt ist – wir nennen sie Gott - die uns stärkt, an unseren Träumen von Liebe, Gerechtigkeit und Frieden festzuhalten.

 

Ihre Pastorin Antje Böhme
Pfarrbereich Leuna-Wallendorf