29.11.2019
Wort zum Sonntag 18/2019

Die Menschen sind oft gar nicht so, wie man denkt

Und ich bin nicht so, wie ich es mir oft einbilde. Z.B. beim Thema Schenken. „Was kann ich nur schenken?“ Dieser Frage entgeht wohl keiner in der „Vorweihnachtszeit“, die spätestens zum 1. Advent ausgerufen wird. Da versuche ich mir vorzustellen, mit was ich der zu beschenkenden Person eine Freude machen könnte. Und schon bilde ich mir ein, ich könnte ein Beglücker sein.
Aber bin ich das wirklich? Wie war es in den letzten Jahren? Und auch: Wie ging es mir eigentlich selber als Beschenktem? - Mit der Freude ist das nicht mehr so, wie in den Kindertagen! Ich entdecke, dass Schenken mir heute mehr Freude macht, als beschenkt zu werden. Kennen Sie das auch? Es passt nicht gut zum Selbstbild. Ich mag nicht auf jemanden angewiesen sein. Ich bin doch kein Kind mehr!
Aber stimmt das wirklich? In mir drin lebt doch - oft uneingestanden - ein inneres Kind, das sich beschenken und umsorgen lassen will. Und ich räume ein, dass mich die Rolle des Beglückers leicht überfordert. Stelle ich mir wirklich vor, mit meinen Geschenken bei erwachsenen Menschen Freude und Seligkeit verbreiten zu können? Glaube ich wirklich von mir, dass ich zu Weihnachten in die Rolle eines Erlösers und Heilandes schlüpfen könnte?
Orientierung gibt mir da, dass ich mich an die christliche Deutung der Adventszeit erinnere, z.B. an den Wochenspruch zum 1. Advent: „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer“. Ich bin entlastet, ich darf in der kindlichen Rolle des Beschenkten sein und erlaube es auch von Herzen allen anderen.

Johann-Hinrich Witzel, Pfarrer in Bad Lauchstädt