14.11.2022
Wort zum Sonntag 40KW/2022

Bedachtes Gedenken

Steine aus ganz unterschiedlichen Jahrhunderten formen die Mauern; innen ist die Kirche ganz weiß. Der Raum dämpft die Töne von draußen. Links neben dem Eingang lese ich eine Wandinschrift:
„1933 – 1939 – 1945
Gefallene / durch Bomben Getötete / als lebensunwert Ausgelöschte / im Widerstand Geopferte / gemordete Juden / Blutzeugen des Glaubens / Vermisste, Verschleppte, Verzweifelte
Aller Blut schreit zu dir
Herr erbarme dich unserer Not und Schuld
Mach uns zu Boten deines Friedens“
Mich hat diese Form des Gedenkens sehr berührt, weil ich darin die Soldaten genauso wiedererkenne wie die Mütter, Frauen und Kinder, die um sie getrauert haben und deren Leben zumindest stark beschädigt war. Weil auch die Zivilbevölkerung mitgenannt ist. Dieses Gedenken geht über den eigenen Ort hinaus und erinnert daran, dass „unter jedem Grabstein eine Weltgeschichte“ (H. Heine) eines einmaligen Menschen liegt, überall auf der Welt. All diese Not seiner Menschenkinder ist aufgehoben bei Gott.
Und schließlich hat mich diese Inschrift berührt, weil sie auch an Schuld erinnert. Hier werden im Gedenken nicht alle gleich gemacht, Opfer und Täter und alle dazwischen, sondern hier wird benannt, dass Verfolgung und Krieg keine Naturgesetze sind, sondern dass dafür Menschen verantwortlich sind.
Gedenken ist gar nicht so einfach. Es kann missbraucht werden und den Hass schüren. Es kann den Blick auf den eigenen Ort, die eigene Nation verengen. Es kann Schuld verwischen.
Und es kann zu einem wachen Leben im Hier und Jetzt helfen. Dann findet der Friede Menschen, die ihn üben, immer wieder.

Lydia Schubert, Kreisfachreferentin für die Arbeit mit Ehrenamtlichen